Die üblichen Medikamente zur Behandlung psychischer Störungen sind oft ineffektiv. Die Berücksichtigung genetischer Varianten und pharmakogenetischer Biomarker ermöglicht eine personalisierte Medikamententherapie, die besser wirkt und unerwünschte Arzneimittelreaktionen vermeidet, insbesondere bei Antidepressiva und Antipsychotika.
Psychische Gesundheit ist von entscheidender Bedeutung für persönliches Wohlbefinden, zwischenmenschliche Beziehungen und gesellschaftliche Teilhabe. Psychische Erkrankungen beeinträchtigen die körperliche Gesundheit, verursachen Schmerzen sowie Behinderungen und können im Extremfall zum Suizid führen. Diese sind im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen eine der häufigsten Todesursachen in der westlichen Welt.
In den Vereinigten Staaten sind neuropsychiatrische Störungen für 19 % aller durch Krankheit und vorzeitige Sterblichkeit verlorenen Lebensjahre verantwortlich. Zu den wichtigsten psychischen Erkrankungen gehören dabei Schizophrenie und Depression, von denen zusammen mehr als 300 Millionen Menschen weltweit betroffen sind.
Die üblicherweise zur Behandlung psychiatrischer Störungen eingesetzten Medikamente zeigen häufig unerwünschte Wirkungen. In grossen randomisierten klinischen Studien (RCTs) wurde gezeigt, dass lediglich eine begrenzte Anzahl von Menschen mit psychiatrischen Störungen von Therapien mit Antidepressiva profitieren. Insbesondere bei Patient:innen mit schweren depressiven Störungen, von denen weltweit 163 Millionen Menschenbetroffen sind, liegt die Ansprechrate auf Psychopharmaka lediglich bei 42-53%. Es besteht also ein großer Bedarf, sowohl die Ansprechrate als auch die Wirkung der derzeit verfügbaren Medikamente zu verbessern.
Wovon hängt die Wirksamkeit von Psychopharmaka ab und was kann die Pharmakogenetik beitragen?
Die Reaktion von Patient:innen auf Psychopharmaka variiert erheblich. Die ist auf genetische, umweltbedingte, pathophysiologische und ernährungsbedingte Faktoren zurückzuführen. Von diesen sind vor allem Wechselwirkung zwischen den Medikamenten und Unterschiede in der genetischen Konstitution relevant. Bestimmte genetische Varianten beeinflussen die Wirkung von Arzneimitteln und dienen als pharmakogenetische Biomarker. Ist das spezifische Genprofil eines Patienten bekannt, kann man die Medikation individuell anpassen und dadurch Trial-and-Error-Situationen vermeiden. So erreicht man eine bessere Wirksamkeit und vermeidet unerwünschte Arzneimittelreaktionen.
Wie beeinflusst die Genetik die Wirksamkeit von Antidepressiva?
Die Antidepressiva der Klassen SSRI (Serotoninwiederaufnahmehemmer; z.B. Sertralin, Paroxetin) und TCA (Trizyklische Antidepressiva; z.B. Amitriptylin) werden durch die Enzyme CYP2D6 und/oder CYP2C19 metabolisiert. Eine verminderte Enzymaktivität kann zu einem verzögerten Abbau des Medikamentes führen, was wiederum bei einer empfohlenen Standarddosierung eine erhöhte Konzentration zur Folge haben kann und das Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen. Bei einer erhöhten Enzymaktivität dagegen kann bei einer Standarddosierung durch einen schnelleren Abbau des Medikamentes kein ausreichender Wirkspiegel erreicht werden und die Medikamentenwirkung bleibt aus.
Wie beeinflussen die Genetik die Wirksamkeit von Antipsychotika?
Ebenso wie Antidepressiva werden auch Antipsychotika (z.B. Aripiprazol, Brexpiprazol, Haloperidol oder Risperidon) durch genetische Varianten im Gen CYP2D6 und die daraus resultierende abweichende Enzymaktiviät in ihrer Wirkung beeinflusst.
[3] Brown, L. C. et al. (2022). Pharmacogenomic Testing and Depressive Symptom Remission: A Systematic Review and Meta‐Analysis of Prospective, Controlled Clinical Trials. Clinical Pharmacology & Therapeutics. https://doi.org/10.1002/cpt.2748